Die kleine Glocke von 1597

Histohappen #002

Bild der kleinen Glocke von 1597 in der Glockenstube im Glockenbock hängend
Kleine Glocke der Dorfkirche Kirch Mummendorf aus dem Jahr 1597

Die kleine Glocke der Dorfkirche Kirch Mummendorf wurde 1597 durch Claus Bincke in Wismar gegossen.

Die Inschrift der kleinen Glocke

Am Glockensaum und an der Krone der kleinen Glocke der rund 1000 Jahre alten Dorfkirche in Kirch Mummendorf steht geschrieben:

Durch das Feur bin Ich geflossen mith Gottes Hulfe hat mich M Clawes Bincke gegossen.

Gott Vatter Son undt Heiliger Geist uns hir und dort seine Gnade Leist zu Gottes Er undt sonsten nicht ist diese Glocke neu angericht im Jare 1597.

Sie überstand Glockenspenden

Dass unsere Kirche zwei Glocken hat, ist vermutlich Glück, Fügung und Zufall in einem.

Sie hat durch glückliche Umstände zwei Glockenspenden während der beiden Weltkriege überstanden. Ihrer Schwesterglocke ging es nicht so gut wie der kleinen Glocke in unserer Kirche. Sie wurde trotz ihres Alters von übereifrigen Menschen gespendet. Es gab Regeln, nach denen entschieden wurde, welche Glocken erhalten werden sollten und welche für die Kriegsinfrastruktur gespendet wurden. Nach diesen Regeln hätte sie nicht gespendet werden müssen.

Sie wurde kein Kanonenfutter

Glücklicherweise wurde sie auf dem Glockenfriedhof in Hamburg nach Kriegsende wiedergefunden. Da die Glocken eingeschmolzen werden sollten, wurde nicht besonders pfleglich damit umgegangen. Viele der Glocken, die kein Ende im Schmelzofen gefunden haben und nach Kriegsende wiederverwendet wurden, wiesen Schäden auf, so dass sie unbrauchbar waren. Unserer Glocke von 1597 blieb dieses Schicksal erspart.

Eine Glocke von Dreien

Nach Friedrich Schlie – Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898 – war die kleine Glocke von 1597 der Kirche im beschaulichen Kirch Mummendorf an der Stepenitz 1898 eine von insgesamt drei Glocken. Die größte Glocke stammt aus dem Jahr 1730 und ist ein Umguss einer älteren Glocke. Die kleinste Glocke wurde 1425 gegossen und fand wohl ihr Ende als Glockenspende.

Verwendung der Glocke

Die kleine Glocke von 1597 wurde lange Zeit über ein Fußpedal zwei Stockwerke tiefer hinter der Orgel betrieben. 1960 erhielt das Geläut eine elektrische Läutemaschine. Durch einen kleinen Hammer, der mit dem Uhrwerk im Erdgeschoss des Turm über einen simplen Draht verbunden ist, wird zu jeder Viertelstunde und zur vollen Stunden der Stundenschlag auf den Glockensaum ausgeführt.

Die Glocken können bei einer der zahlreichen Führungen besichtigt werden, die der Kirchenförderkreis Kirch Mummendorf im Rahmen seiner vielen Veranstaltungen anbietet.

Von Kirchen und Wasseradern

Am 16.02.2025 veranstaltete der Kirchenförderkreis Kirch Mummendorf einen Nachmittagskaffee unter dem Motto „Ohren suchen Geschichten„. Dabei kamen auch Themen wie Kirchen und Wasseradern zur Sprache.

Wir wollten Geschichten rund um die Kirche St. Johannes in Kirch Mummendorf hören. Interessantes, Wissenswertes, Kurioses oder Nachdenkliches rund um Kirchen und Wasseradern.

Ein Blitz traf unsere Kirche

Bei einer der vielen Turmführungen in der Kirche Kirch Mummendorf zu Veranstaltungen wir KunstOffen oder dem Tag des Offenen Denkmals nahm eine Frau aus dem Dorf teil, die zu erzählen wusste, dass einmal ein Blitz in die Kirche eingeschlagen habe. Eben diese Frau war auch bei unserer Veranstaltung „Ohren suchen Geschichten“ da und erzählte davon. Die Thematik Kirchen und Wasseradern kam auch hier zur Sprache.

Kirchen wurden auf Wasseradern gebaut

Früher dauerte ein Gottesdienst zwei Stunden. Die körperliche Arbeit, der die meisten der anwesenden Kirchengängern nachgingen, machte diese müde, Predigen waren oft leider langweilig. Sie wurden immer wieder wiederholt. Die Wasseradern, auf denen Kirchen gebaut wurden, sollen dabei geholfen haben, die Menschen wach zu halten. Leider ziehen die Kreuzungen solcher Adern jedoch Blitze an. Und so kam es wohl dazu, dass ein Blitz in den Turm einschlug. Glücklicherweise brannte der Dachstuhl jedoch nicht, richtete jedoch Zerstörungen an. So wurde auch damals schon die Leichenhalle in Mitleidenschaft gezogen (Anmerkung des Autors: Mittlerweile driften die Wände des Anbau auseinander, so dass der Eingang über die Tür dort gesperrt werden musste. Notsicherungsmaßnahmen werden zur Zeit geplant.)

Der Topophilia-Effekt

In ihrem Buch „Der Topophilia-Effekt. Wie Orte auf uns wirken“ beschreibt die Historikerin Roberta Rio, dass viele mittelalterliche Kathedralen, darunter der Kölner und Speyrer Dom, auf besonderen Plätzen errichtet wurden. Forschungen haben bei einigen dieser Orte unterirdische Wasseradern nachgewiesen, was die Verbindung der Kirchen zu Wasseradern bestätigt.

„Wer sich mit den Texten alter Baumeister auseinandersetzt, bemerkt, dass diese Orte stets bewusst gewählt wurden. Denn dort glaubte man Kräfte der Natur am Werk, um gewisse Phänomene wie das Streben nach Spiritualität oder das Gefühl von Mystischem zu erzeugen“, sagte Rio einmal im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). (Quelle: katholisch.de)

Wer weiß? Vielleicht ist der Standort unserer Kirche ein solcher „besonderer Platz“. Immerhin thront die Kirche auf einem Hügel über einer Stelle an der 3 Ländereien zusammentrafen: Mecklenburg-Strelitz im Westen, Mecklenburg-Schwerin im Osten und das Wasser der Stepenitz gehörte bis 1907 zu Lübeck, was eine Verbindung zu den Themen Kirchen und Wasseradern nahelegt.

Interessanter Fakt

Wir haben erfahren, dass früher bei einem geplanten Hausbau das Areal eingezäunt, Vieh dort hinein getrieben und beobachtet wurde, wo sich die Tiere niederließen. Dort baute man das Haus. Tiere lassen sich wohl dort nieder, wo keine Wasseradern sind. Also mieden die Tiere Orte, wo eventuell eine Kirche und Wasseradern sind.

Die Kirche St. Johannes in Kirch Mummendorf auf dem Hügel von Südwesten aus fotografiert. Es ist Herbst, die Bäume haben keine Blätter.
Dorfkirche St. Johannes Kirch Mummendorf

Dachstuhl des Chors aus dem Jahr 1622

Histohappen „001

Diese von Zimmerleuten ins Holz gestemmten Schriftzeichen finden sich im Gebälk des alten Dachstuhls der Kirche Kirch Mummendorf über ihrem Chor. Dieser wurde im Jahr 1622 neu errichtet. Der Auftrag kam wahrscheinlich durch Juraten (gewählte/bestellte Kirchengemeindevertreter).

An unzugänglicher Stelle und von Kabeln überdeckt sind sie Zeugen einer dynamischen Zeit. Die Kirche wurde vom Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 verschont. Obwohl der niedersächsisch-dänische Krieg 1625-1629 und später der französisch-schwedische Krieg 1630-1635 vor der Haustür tobten.

Die Inschrift lautet:

1622
Tewes
Olderogge
Clawes Rentzow
Ties Wigges
Ivraten (Juraten = Kirchenälteste)
Haben es bauwen laten dorch
Adam Hôye Scheh

Wer erkennt in seinem Stammbaum diese Namen?

Wir können manche Namen in den Schriftzeichen die von Zimmerleuten (Zimmerer) ins Holz gestemmt wurden, bis nahe an dieses Datum heran recherchieren. Meist muss es sich aber um die Kinder dieser Zimmerer handeln.

„Ivraten“ vermuten wir, heißt Kirchräte. Eine Quelle aus dieser Zeit in Hannover lässt diesen Schluss zu. Es könnte auch Juraten heißen. Juraten waren gewählte/bestellte Kirchengemeindevertreter. Das würde Sinn ergeben.

„Hôve“: Über dem O befindet sich ein Punkt. Vielleicht deutet das auf ein norwegisches ø hin. Da Zimmerleute seit rund 800 Jahren auf die Walz gehen, um sich fachlich fortzubilden, kann es gut sein, dass dieser Tradition folgend ein norwegischer Zimmermann seinen Weg nach Mecklenburg gefunden hat und an der Kirche Kirch Mummendorf gearbeitet und seine Spuren im Chorgestühl hinterlassen hat.

Gestemmter Text in einem Sparren und Sparrenknecht des Chorgestühls im alten Dachstuhls der Kirche Kirch Mummendorf.  Zimmerleute haben diese Schriftzeichen ins Holz gestemmt. Juraten: gewählte/bestellte Kirchengemeindevertreter.
Gestemmter Text in einem Sparren und Sparrenknecht des Chorgestühls im alten Dachstuhls der Kirche Kirch Mummendorf

Eine von vielen Spuren im Alten Dachstuhl der Kirche Kirch Mummendorf. Solche von Zimmerleuten ins Holz gestemmte Schriftzeichen sind wie eine Zeitreise.